Krisenfeste Kinder- und Jugendarbeit. Was muss kurzfristig getan werden, um die politische Stimme der Jugend in Krisenzeiten zu stärken?
Christine Reich (Geschäftsführung Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein), Cornelia Seger (Geschäftsführung BDKJ Düsseldorf), Angelika Bergmann (Leiterin des Stadtteilbauernhofs Hannover und Vorsitzende der LAG OKJA Niedersachsen), Johanna Börgermann (Mitglied im Landesvorstand, Landesschüler*innenvertretung NRW)
Beschreibung
Der pandemiebedingte Shutdown traf die Kinder- und Jugendarbeit unvorbereitet und grenzte die so wichtigen Freiräume für junge Menschen, etwa bei ausgefallenen Sommerfreizeiten, massiv ein. Die Kinder- und Jugendarbeit hat in den letzten Monaten kreative Lösungen, beispielsweise im digitalen Bereich, entwickelt und erprobt, um Kinder und Jugendliche zu erreichen. Mittlerweile kann Kinder- und Jugendarbeit wieder begrenzt nach den jeweiligen Maßgaben stattfinden. Mit Praktiker*innen aus unterschiedlichen Feldern der Kinder- und Jugendarbeit und mit Vertreter*innen von wichtigen Schnittstellen zur Kinder- und Jugendarbeit fragen wir nach der Krisenfestigkeit in ihren Bereichen. Wir wollen wissen, was sofort für junge Menschen und für die Praxisfelder umgesetzt werden muss, wenn Krisenbedingt erneut Einschränkungen zu erwarten sind. Diese und weitere Fragen diskutieren wir mit Akteuren aus der Jugendverbandsarbeit, politischen Jugendbildung, offenen Kinder- und Jugendarbeit sowie Schüler*innenvertretungen.
Dokumentation/Zusammenfassung aus dem YoPad
Rückschau: Der pandemiebedingte Shutdown traf die Kinder- und Jugendarbeit unvorbereitet und grenzte die so wichtigen Freiräume für junge Menschen, etwa bei ausgefallenen Sommerfreizeiten, massiv ein. Die Kinder- und Jugendarbeit hat in den letzten Monaten kreative Lösungen, beispielsweise im digitalen Bereich, entwickelt und erprobt, um Kinder und Jugendliche zu erreichen. Mittlerweile kann Kinder- und Jugendarbeit wieder begrenzt nach den jeweiligen Maßgaben stattfinden.
Folgende Aspekte wurden aufgegriffen:
- Die Kinder- und Jugendarbeit hat die Pandemie erstmal unvorbereitet getroffen. Daher stand zuerst die Frage im Vordergrund, wie die Kinder- und Jugendarbeit nach wie vor ihre Arbeit machen kann und die Zugänge zu den Jugendlichen erhalten bleiben.
- Die politische Interessenvertretung für junge Menschen aus dem Bereich der Kinder- und Jugendarbeit hat sich daher erst spät eingebracht und wurde an den relevanten Stellen nicht gehört.
- Partizipationsmöglichkeiten der Schüler*innenvertretung wurden in der Hochzeit der Krise weiter eingeschränkt. Es gab keinerlei Mitspracherecht in den Krisenstäben.
- Jugendarbeit gerät gegenüber den Räumen Schule und Familie ins Hintertreffen. Mit der Pandemie hat sich die Situation verschärft. Die Probleme zwischen Schule, Familie und Jugendarbeit müssen strukturell behoben werden.
- Die Vernetzung der Jugendarbeit untereinander hat durch die Pandemie einen Sprung gemacht. Hier hat es geholfen, dass die Kinder- und Jugendarbeit schnell in den digitalen Austausch kam.
- Die Kinder- und Jugendarbeit lässt sich mit digitalen Angeboten nicht ersetzen. Der reine Fokus allein auf die Potenziale der Digitalisierung greift an dieser Stelle zu kurz. Auch im schulischen Bereich kann höchstens von einer teilweisen Digitalisierung des Unterrichts gesprochen werden. Schule besteht aber aus sehr viel mehr Lernräumen, die während des Shutdowns nicht genutzt werden konnten. Das betrifft auch physische Räume, um die eigene Vertretung zu organisieren.
- Der Fokus aus Jugendliche als „zu Beschulende“ hat im Umkehrschluss aber auch dazu geführt, dass z.B. die Landesschülervertretungen sehr viel stärker öffentlich wahrgenommen wurden, was sich bspw. in medialen Anfragen zeigte.
- Ideen für eine krisenfeste Jugendarbeit in Zukunft:
- Strukturelles Mitspracherecht in Krisenstäben stärken (Jugendhilfeausschüsse, schulische Strukturen etc.)
- Es braucht jetzt eine gute Vernetzung der Akteure auf der kommunalen Ebene. Hier müssen die Vertreter*innen der Jugendarbeit als Ansprechpartner gesetzt sein. Das ist in einigen Bundesländern und Kommunen bereits gut gelungen.
- Eine größere Vernetzung unter den einzelnen Akteuren (Kita, Schule, außerschulische Bildung) muss gelingen, damit außerschulische Bildung nicht als Add-on sondern als entlastender Akteur und Partner*in (auch in Krisenzeiten) - besonders auf politischer Ebene - wahrgenommen wird.
- Physische Räume (in Schulen, Jugendbildungsstätte) können im Winter für alle Aktivitäten der Jugendarbeit und für selbstorgansierte Räume von Jugendlichen genutzt werden. Das muss unbürokratisch und praxisorientiert ermöglicht werden.
- Die Praxisfelder der Jugendarbeit haben schon kreative Lösungen entwickelt, wie sie aufsuchender mit Jugendlichen arbeiten können. Das muss auch weiterhin ein Weg sein, um handlungsfähig zu bleiben.
- Multiprofessionelle Vernetzung und Fortbildungen zu neuen pandemiebedingten Themen stärken (z.B. zu rechtlichen Fragen, Hygieneverordnungen etc.)